Du bist nun schon seit
über einen Monat fort. Nicht mehr da, einfach weg. Es war der schwerste Gang,
den ich bisher gehen musste. Schon einige Wochen vorher war mir übel bei dem
Gedanken, dass dieser Tag bald kommen würde, doch schlimmer noch war die
Ungewissheit, nicht zu wissen, wann dieser Tag sein würde. Entscheiden zu
müssen, wann es der richtige Moment ist. Den Moment zu finden, wann dein Leben nicht
mehr lebenswert sein würde.
Du solltest nicht leiden,
keine Minute Schmerzen haben, noch einige glückliche Wochen. An diesem einen
Tag im Juni, als die Tierärztin mir sagte, dass du einen Tumor im Unterkiefer
hast. Es zerriss mir das Herz. Ich konnte vor Traurigkeit nicht atmen. Hatte
Angst, nach alternativen zu fragen. Ich konnte dich nicht quälen. Nicht mit
Chemotherapie, nicht mit einer Unterkieferamputation. Keine der Optionen war
die Richtige. Doch die Eine ließ uns noch ein bisschen Zeit. Ich nahm dich wieder
mit nach Hause und weinte den Rest des Tages in dein kuschliges Fell. Wollte
dich auf keinen Fall loslassen.
Ich wusste, dass dieser
Tag irgendwann kommen würde. Ich dachte nur wir hätten mehr Zeit. Du bist doch
erst zehn Jahre, fast elf. Das ist zu früh, das ist unfair. Du bist glücklich,
wohlgenährt, aber nicht zu dick. Das ist einfach nicht fair. Jetzt wo wir doch
gerade eine richtige Familie geworden sind. Jetzt musst du gehen. Ich konnte es
mir nicht vorstellen.
Nicht mehr deinen dicken
Bauch kraulen. Nie mehr deine Pfötchen zu streicheln, dass du nie wieder auf
meinem Bauch liegst. Kein kleiner Schreihals mehr, der nach Futter ruft. Kein
Tapsi mehr, der mir überall hin nachläuft. Kein neugieriger Tiger mehr, der an
der Leine durch den Garten stromert. Kein Sonnengott mehr, der sich am
Sonntagmorgen auf den Teppich fallen lässt, weil dort gerade die Sonne rein
scheint. Kein Schmusi mehr, der jede Minute geschmust werden will. Nie mehr
dein schönes Fell betrachten, in deine lieben Augen schauen und dich nie wieder
berühren. Das ist einfach nicht fair!
Unser letztes gemeinsames
Wochenende verbrachten wir Tag und Nacht zusammen. Schmusten den ganzen Tag. Am
Abend erzählte ich dir Geschichten von früher. Wie du, kaum geschlüpft, mir
schon mein Herz gestohlen hattest. Wollte nie eine Katze. Doch jedes Mal, wenn
ich dich und deine Geschwister besuchte, bist du mir immer hinterher getapst, schliefst
auf meinem Schoß ein und wolltest immer von mir gekrault werden.
Mit 12 Wochen bist du
dann bei mir eingezogen. Die Fahrt war die Hölle. Wir waren ein Herz und eine
Seele. Unser Ritual, immer nach Feierabend ein kleines gemeinsames Nickerchen
auf der Couch. Du auf meinem Bauch, in meinem Arm. Du hattest viele Flausen im
Kopf und ich unzählige Kratzer. Wir haben getobt, du hast sämtliche Kabel
zerbissen, Blumenwasen umgeschmissen und warst nie müde.
Neue Leute waren selten
ein Problem für dich. Kinder waren dir nicht geheuer. Lieber mit Fauchen auf
Abstand halten. Aber nie hast du gekratzt oder gebissen. Jedenfalls nicht die
Menschen, den Inhalt der Handtaschen aber. Ladekabel hatten keine Chance bei
dir. Auch ich musste einige neue Kabel in der Zeit kaufen. Doch du warst mein
Samtpfötchen. Nasse Haare waren voll dein Ding, Nivea Creme auch, besser waren
noch Chips und Würstchen. Mein Gourmet-Katerchen.
Du warst nicht
begeistert, als Mäuschen einzog. Sie stiefelte rein, fraß aus deinem Napf und
war unbeeindruckt von deinem Fauchen. Ihr Vorteil, der Baby-Bonus. Du warst
bald total verliebt. Sie beschützte dich, falls du dich mal wieder in ein
Zimmer geschlichen hattest und eingesperrt wurdest. Ihr habt geschmust, euch
geputzt und …, ja das auch. Puhh, Gott sei Dank warst du kastriert. Du warst so
tapfer, als sie 4 Jahre später wieder auszog. Trennungen sind vor allem für die
Kleinen schlimm.
Autofahren war so gar
nicht dein Ding. Und dabei warst du auch mal eine Fernbeziehungs-Pendler-Katze.
Ein Jahr hattet ihr das mitgemacht. Oldenburg – Lübeck, Lübeck – Oldenburg,
eine Woche hier, eine Woche da. Ihr wart so tapfer. Du warst tapfer, immer.
Ein neuer Mann, ein
letzter Umzug und das Familienglück schien perfekt. Mehr als 4 wundervolle
Jahre, voller Glück, voller Geborgenheit und voller Liebe für jeden von uns.
Jetzt fehlt ein Teil von mir. Mein Baby, den ich großgezogen habe, der gut
erzogen war ohne seinen eigenen Kopf dabei zu verlieren. Meinen Aufmunterer,
der immer wusste, wann ich ihn besonders brauchte.
Meinen Schmusetiger, mit dem
man einen ganzen Tag einfach nur kuscheln konnte. Mein kleines Pony, der immer
durch die Wohnung galoppierte. Mein klein er Schreihals, der immer auf sich
aufmerksam machte, egal worum es ging, extra Schmuseeinheiten oder
Futternachschub. Mein Gefährte, mit dem man sogar einen Mono-Dialog führen
konnte. Du hattest immer eine Antwort, zwar mehr gequakt, als miaut, aber das
kann auch nicht jedes Schmusetier.
Du fehlst, jeden Tag. Oft
schaue ich in den Flur, ob du vielleicht gerade durch die Tür tapst oder höre
ich dich im Flur herumstapfen. Doch dann fällt mir wieder ein, dass du nie
wiederkommen wirst. Nie wieder, und doch bist du noch da! Du hast eine schöne
und passende Urne bekommen. Bist noch hier und doch nicht mehr da. Ruhe in
Frieden mein Herz, ich werde dich nie vergessen. Ich war nie gläubig, auch
jetzt nicht und doch hoffe ich, dass du jetzt bei deiner Mama bist und wir uns
irgendwann wiedersehen. Ich liebe Dich!
R.I.P. Forri